BASEMENT ON THE MOVE
ist ein kuratorisches Konzept von Claudia-Maria Luenig.
Lavinia Lanner wurde 1985 in Österreich geboren, lebt und arbeitet aktuell in Wien und Salzburg. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien (Gunter Damisch, Diplom 2010) und an der Slade School of Fine Arts in London, außerdem Übersetzen und Dolmetschen an der Universität Wien. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland sowie AIR-Aufenthalte in Teheran, Yogyakarta, Rom, Paris, etc. sowie Nominierungen für Preise: Erste Bank Kunstpreis (2023), Kardinal König Kunstpreis (2023), art.albina Kunstpreis (2022), W. Koschatzky Kunstpreis. Lanners Arbeiten befinden sich u.a. In folgenden Sammlungen: Artothek des Bundes, Stadt Wien, Land Salzburg, Grafische Sammlung der Akademie der bildenden Künste Wien, Stadt Montrouge/Paris, W. Koschatzky Kunstpreis, etc.
2022 wurde ihr ein Staatsstipendium für Bildende Kunst durch das bmkoes (Bundesministerium für Kunst, öffentlichen Dienst und Sport) verliehen.
Grundlage ihrer künstlerischen Praxis ist die Beschäftigung mit der Zeichnung – mit 3B-Bleistift, um genau zu sein. Was sie dabei interessiert, ist, dass sie als direkteste und unmittelbarste Art dient, Gedanken eine Form zu geben und zur selben Zeit erlaubt, große Schwünge und Gesten damit zu machen sowie Räume in installativen Settings zu schaffen. In Groß- und Kleinformaten lässt sie die Zeichnung also in unterschiedliche Rollen schlüpfen, die ihr im strengen Sinne fern sind. Mal tritt sie als malerisches Gegenüber auf (in ihrer andauernden Serie der gezeichneten Pinselstriche – brushstrokes), andere Male als Skulptur – erhaben, metallisch und schwer.
Für sie ist das Medium der Zeichnung ein vielseitiges. Monumental und ephemer, flüchtig in dem Sinne, da sie es als in Bewegung begreift. Das Dargestellte ist nicht in Stein gemeißelt, tritt auf das Blatt, schwebt dort und oft verlässt es das Format auch wieder. Genauso sieht sie darin die Gleichzeitigkeit diametral gegenüberstehender Eigenschaften wie kolossal und intim. Die Erscheinungsform als solche, wie eine Form im Format thront und gleichzeitig so unmittelbar, direkt und weich ist. Und ganz nah.
Die gezeichneten Formen sind meistens nicht klar einzuordnen, enthalten Organisches, Geometrisches, füllen manchmal das Papier und andere Male ist nur eine Spur zu sehen, die sie hinterlassen. Die Ambiguität von Formen interessieren sie dabei genauso wie das Abtasten und Weiterentwickeln ihres Ursprungszustands.
Petra Lupe, 1972 in Steyr geboren, lebt und arbeitet in Weyer an der Enns. Von 1995 – 2000 studierte sie an der Hauptuniversität Wien Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Psychoanalytische Pädagogik und absolvierte ihr Diplom bei Wilfried Datler. Bis 2013 folgte ein theologisches Studium an der Linzer Hochschule. Seit 2016 ist Lupe als freischaffende Künstlerin tätig. Sie ist Mitglied der IG Bildende Kunst/Wien, die Kunstschaffenden/Linz, Galerie die Forum, Wels. 2022 wurde ihre Arbeit auf der Parallel Vienna - Semmelweis Frauenklinik als Gallery Statement der Galerie Dantendorfer/Wien gezeigt. Unter anderem war ihre Arbeit in den letzten Jahren in der Kunstraumarcade/Mödling, Stadtgalerie-raumimpuls/Waidhofen und im OÖ Kulturquartier Ursulinenhof/Linz zu sehen, 2024 wird Ihre Arbeit unter anderem im NÖ-DOK/St. Pölten zu sehen sein. Ein AIR Aufenthalt in Rom bei Paliano steht kurz bevor.
Ihre Arbeit ist unter anderem vertreten in der Sammlung Urban (Ankäufe seit 2017; Sommerausstellung 2023 Artist Statement) und in Räumlichkeiten des Justizministeriums/Wien.
Lupe feiert das Experiment und bedient sich - ganz dem Gesetz der Anziehung folgend - unterschiedlichster Medien. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Polarität. Sie ist dem Versuch gewidmet vermeintlich Getrenntes zu überwinden, ein Suchen und Finden fragiler Verbindungen und Übereinstimmungen. Innen_Außen, Subjekt_Kollektiv, Fülle_Reduktion …etc. stehen einander gleichsam gegenüber und finden sich im kleinsten gemeinsamen Nenner wieder. Materialität steht im Vordergrund, Asche für Haptik, die Naht der Nähmaschine ersetzt die Linie, Druck und Objekt ringen um Durchsicht. In ihren einzelnen Raumkonzepten thematisiert sie jeweils Facetten von Polarität, die quasi curricular umkreist werden. Über Fotografie, Video, Grafik, Objekt versucht sie sich thematisch anzunähern, bis ein Prozess des Verselbständigens einsetzt und sich die Arbeit aus der subjektiven Bedeutungsebene herauslöst um sich ins Kollektiv einzutauchen.
Lavinia Lanner & Petra Lupe.
Neue Löcher in den Raum
Jahresthema: Zwischenräume – Aufbruch / Umbruch
Ausstellung
Eröffnung | Freitag, 24. November 2023, 19 Uhr
Es spricht Katja Stecher, Kuratorin & Kunstvermittlerin
Künstlerinnengespräch | Samstag, 9. Dezember, 16 Uhr
Ausstellungsdauer | bis Samstag, 16. Dezember 2023
Öffnungszeiten | jeweils Mittwoch - Samstag, 15 - 19 Uhr und nach Vereinbarung.
Über das Neue in bestehender Umgebung
In einer Zeit großer gesellschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Veränderungen treten Kunst und Gesellschaft in einen bemerkenswert konstruktiven Austauschprozess ein. Die Corona Pandemie hat uns deutlich gemacht, dass unser aller Verständnis von Kommunikation, Zusammenarbeit und Zusammensein, Austausch und kreativem Output einer Evaluierung bedarf.
Die Ausstellungs- und Eröffnungsmechanismen haben sich verlagert, leicht verändert, Erwartungen sind groß trotz einiger Zurückhaltung. Werden wir in Zukunft Präsentationen, den Austausch und Kollaboration im Kunst- und Kulturbereich überdenken?
Der Begriff „Aufbruch“ leitet sich einmal aus dem Althochdeutschen brehhan ab, was bedeutet brechen oder in Stücke zerfallen. Ein Aufbruch kann aber auch etwas Neues bedeuten, zu dem wir uns bewegen oder bewegen wollen. Wir nehmen das gegebene und das zu erwartende, beziehen uns auf das vorherige, um so weiter zu expandieren.
2023 wird unter dem Aspekt Aufbruch / Umbruch der Zwischenraum thematisiert. Der Zwischenraum liegt zwischen den Dingen, zwischen Greifbarem, gar Sichtbarem, eingegrenzt von einem Umraum, dabei selbst eher vage, undefiniert, leer. Als „Lattenzaun-Zwischenraum“- Metapher nach einem Gedicht von Christian Morgenstern sind die Zwischenräume unlängst als Hybride in die unterschiedlichsten Lebensbereiche eingedrungen.
„Eine begriffliche Annäherung an die schwer fassbare Kategorie mündet zwangsläufig in Paradoxien, deren Ursprünge in den begrenzten Möglichkeiten unserer Wahrnehmung selbst zu suchen sind. Der Begriff des Zwischenraums und das scheinbar neutrale Dazwischen werden meist synonym verwendet – ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen physikalisch messbaren Raum oder ein gedankliches Konstrukt, eine Metapher handelt, die die räumliche Vorstellung lediglich als Hilfskonstruktion verwendet. Die abstrakte Reflexion scheint auf diese lokalen oder im spezielleren Fall auch temporalen Beschreibungsmodelle angewiesen zu sein.“ 1
Davon ausgehend kann Zwischenraum also in einem räumlichen und auch zeitlichen Sinn verstanden werden. Ersteres ergibt sich durch den Umgang mit Raum, wo Zwischenräume zumeist Leerstellen im Baugefüge darstellen, oder Zonen sind, die mit denjenigen kontrastieren, die gefüllt sind, die baulich eine Funktion im Gesamtbaugefüge haben. Die zweite Ebene, die Zeitliche, ergibt sich durch den Umgang mit Raum im Moment der Wahrnehmung. Zwischen zwei Augenblicken entscheidet sich die Wahrnehmung des Zwischenraums, im Übergang von zum Beispiel innen und außen, oben und unten, leer und gefüllt.
Der Zwischenraum als „Raum, der zwischen den Grenzen liegt“, kann im architektonischen Baugefüge ein Durchgangsraum, ein Nicht-Ort, eine Schnittstelle, ein Übergang, ein Übertritt, eine Leerstelle, ein Durchlass, eine Passage sein – ein Raum, dem in der Architekturbetrachtung und – Begehung immer wieder besondere Aufmerksamkeit zuteil wird.
Fragilität, Gespanntheit, Balance oder auch Dissonanz sind nur einige Begriffe die 2023 von den teilnehmenden KünstlerInnen untersucht und visualisiert werden. Diese Begriffe und mehr tragen zur Erforschung des Zwischenraumes bei. Die meisten der ausstellenden KünstlerInnen haben diese Schnittstelle schon im materiellen oder aber räumlichen, konzeptuellen Zugang, dies verspricht eine spannende Auseinandersetzung mit der Thematik.
1 Christian Morgenstern: Der Lattenzaun, in: Habel, Reinhardt; Morgenstern, Christian: Morgenstern Gedichte in einem Band. Frankfurt am Main 2003, S. 30